Kurze Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Balhorn zurück


- von Pfarrer Stefan Kratzke, Januar 2001

" '1488': Fünfhundert Jahre ist es nun her, dass der Turm der evangelischen Pfarrkirche zu Balhorn mit dieser Jahreszahl versehen wurde, die uns so das Mindestalter der alten gotischen Gewölbe in ihrer jetzigen Größe dokumentiert. 1488 ist das Geburtsjahr Ulrich von Huttens, des Reichsritters, der für die Reformation der Kirche und die Freiheit der Bürger im heiligen Römischen Reich Deutscher Nation eintrat. Da war Martin Luther gerade fünf Jahre alt, es war der Vorabend der Reformation. Die Sakramentsnische im Altarraum des Turmes, die diese Zahl trägt, ist somit nun der älteste, damals heiligste Ort des Dorfes Balhorn, der geistliche und sichtbare Mittelpunkt des Ortes."

Mit diesen Worten beginnt der ehemalige Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Balhorn, Helmut Umbach, sein Vorwort im Balhorner Heft Nr. 1 (Die Evangelische Kirche in Balhorn - Bau- und Kunstgeschichte der Kirchenanlage mit Nebengebäuden und Wehrkirchhof).

Damit ist die Balhorner evangelische Kirche mit Abstand das älteste Gebäude im Dorf und die Kirchengemeinde die Gemeinschaft mit der längsten Tradition. Jedoch reichen ihre geschichtlichen Wurzeln in eine noch viel ältere Vergangenheit zurück. Etwa um das Jahr 750 hatte die Balhorner Gegend durch Mönche des Benediktinerklosters Fritzlar eine Missionierung erfahren. Zum Bau einer eigenen Kirche führte dies aber noch nicht, sondern zum Gottesdienst musste man in das benachbarte Holzkirchen gehen, welches heute ein Wüstung im nördlichen Teil des Waldes zwischen Balhorn und Altenstädt ("Lindchen" genannt) ist. Erst ca. 600 Jahre später kam es zum Bau einer Kirche in Balhorn. Die im 13. und 14. Jahrhundert andauernden Fehden der hessischen Landgrafen mit dem Mainzer Erzstift und Teilen der nordhessischen Ritterschaft hatten die Bewohner Holzkirchens zum Verlassen ihres Ortes gezwungen. Holzkirchen wurde "wüst" (verlassen). Seitdem übernahm das wehrhaft ausgebaute Dorf Balhorn die kirchliche Mittelpunktfunktion. Im Jahr 1342 wird zum ersten mal ein Kirchhof in Balhorn erwähnt, auf dem vermutlich das erste Kirchengebäude errichtet war.

Jedoch hat die Kirche im Lauf der Jahrhunderte einen mannigfachen Wandel erfahren. Von jener ersten Kirche gibt es keine Spuren mehr. Von der Kirche, die 1488 geweiht wurde, ist nur noch der Turm übrig geblieben, der im 30-jährigen Krieg (1618-1648) vielen Balhornern das Leben gerettet hat. Er war als Wehrturm mit zwei hoch übereinander liegenden Steingewölben errichtet worden. Über diesen Gewölben konnten sich die Ortsbewohner des öfteren so lange in Sicherheit bringen, bis die Truppen der Evangelischen aus dem nahe gelegenen Kassel angerückt waren. Damals trug der Turm noch ein Spitzdach, das von einem Wehrgang mit einem Zinnenkranz umzogen war. Sogar ein Geschütz soll sich Archivangaben zufolge dort oben zur Verteidigung befunden haben. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Zinnenkranz mit dem Wehrgang abgetragen und die alte Kirchturmspitze durch eine "Welsche Haube" (Haubendach mit geschweifter, glockenförmiger Kontur) ersetzt.

Heute befindet sich innerhalb dieser Haube über dem oberen Steingewölbe die Glockenstube. Die mittlere der drei Glocken wurde 1816 gegossen, die anderen beiden kamen im Jahr 1964 hinzu, weil ihre Vorgängerinnen während des 2. Weltkrieges für die Produktion von Waffen enteignet worden waren. Die älteste Glocke befindet sich in der Spitze des Turmdachstuhls. Sie schlägt den Balhornern seit 1557 im Halbstundentakt die Zeit. Die alte Uhrenglocke gehört zu den ältesten Glocken im Kirchenkreis. Die Wetterfahne wurde nach einer Reparatur 1743 auf das Turmdach gesetzt und trotzt in 33 Meter Höhe über dem Boden des Kirchhofes jedem Wind und Wetter.

Im 18. Jahrhundert (1743-1748) wurde schliesslich die Kirche grundlegend umgebaut. Das alte gotische Kirchenschiff war für die zunehmende Bevölkerung des Dorfes zu klein und somit eine Erweiterung notwendig geworden. Da sich bis 1743 der Altarraum im Turm befand und dieser nicht erweitert werden konnte, entschloss man sich, das Kirchenschiff ganz neu zu errichten. Der ehemalige Altarraum wurde vom neuen Kirchenschiff durch eine Zwischenmauer getrennt und der Altarraum nach Westen ausgerichtet, gegen alle kirchenbauliche Tradition. Der Altar aus dieser Zeit steht bis heute im Chorraum und ist sehr gut erhalten. Die letzte Erweiterung (Errichtung der Seitenschiffe) hat die Kirche dann in den Jahren 1893-1895 erfahren. Damals wurde die bis dahin schmucklose und schlichte Kirche zu einer prunkvollen, repräsentativen Kirche umgebaut und Stilelemente der Barockzeit, des Klassizismus und des Jugendstils miteinander verschmolzen.

Diesem letzten Umbau ging jedoch eine tragische Epoche in der Kirchengeschichte des Dorfes voraus. Die reformierte evangelische Kirchengemeinde Balhorn hatte sich in zwei Lager, die Gegner und die Befürworter einer Zusammenführung der reformierten und der lutherischen Kirchengemeinden in Hessen, gespalten. Die Gegner der Zusammenführung waren Teil der hessischen Renitenz. Die damals vollzogene Trennung besteht noch heute. Jedoch ist das verfeindete Nebeneinander der ehemaligen "Renitenten" und der landeskirchlichen Christen zu einem geschwisterlichen Miteinander in versöhnter Verschiedenheit geworden, in dem auch gemeinsam gefeierte Gottesdienste am Himmelfahrtstag (im Lindchen) und zum Frühlingsfest im Festzelt zu einem regelmäßigen und gern angenommenen Brauch geworden sind. Die Kirchengemeinden der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck haben in den vergangenen Jahren im ökumenischen Miteinander viel erreicht. Zum ersten mal konnte vom 7. bis zum 11. Oktober 2001 eine gemeinsam geplante Gemeindewoche mit Pfarrer Axel Kühner aus Kassel durchgeführt werden, an der viele Balhorner Bürger beider Kirchengemeinden teilgenommen haben. Ökumenische Zusammenarbeit gibt es darüber hinaus in der Notfallseelsorge, die im Altkreis Wolfhagen 1998 von Pfarrern der Landeskirche und der SELK gemeinsam ins Leben gerufen worden ist. Auch die Arbeit des zum 1. Oktober 1999 gegründeten Hospizvereins im Wolfhager Land geschieht überkonfessionell für Mitglieder aller Konfessionen.

Möge die Arbeit und das Leben der Kirchen auch in Zukunft bewirken, dass Menschen miteinander versöhnt werden und sich als Geschwister statt als Konkurrenten verstehen.

aus: Balhorn 2000, Ein Dorf und seine Bewohner stellen sich vor.
Hrsg.: Balhorner Kulturverein 2000 e.V.



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